c/o Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek)
Landesvertretung Thüringen
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99099 Erfurt
Referentenentwurf – Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zum Schutz der Versorgungsstrukturen im Bereich der Heilmittelversorgung –
Nicht erbrachte Therapien im Bereich der Heilmittelversorgung – für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 – durch die SARS-CoV-2-Epidemie können nicht nachgeholt und die daraus resultierenden Umsatzeinbußen damit später nicht einfach ausgeglichen werden. Deshalb wird an jeden zugelassenen Leistungserbringer ein einmaliger Zuschuss in Höhe von 40 Prozent des im vierten Quartal 2019 von der gesetzlichen Krankenversicherung erhaltenen Vergütungsvolumens geleistet, der nicht zurückgezahlt werden muss.
Die pauschalen Ausgleichszahlungen an Heilmittelerbringer sind dafür gedacht, die durch die SARS-CoV-2-Epidemie bedingten Einnahmeausfälle abzumildern, um Praxisschließungen aufgrund der unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage zu verhindern und die Versorgung der Versicherten mit Heilmittelleistungen während der SARS-CoV-2-Epidemie sicherzustellen.
Die Ausgleichszahlung wurde aus der Perspektive berechnet, dass Heilmittelerbringer auch die anderen Unterstützungsmaßnahmen, wie die Soforthilfe für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen sowie das Kurzarbeitergeld, in Anspruch nehmen. Daher erfolgt die Ausgleichszahlung ohne Abzug durch weitere Unterstützungsmaßnahmen.
Die Ausgleichszahlungen an die Heilmittelerbringer werden nicht von den Krankenkassen, sondern aus dem Bundeshaushalt refinanziert, da es sich bei der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit Heilmittelleistungen um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, mit der nicht allein die Beitragszahler zur gesetzlichen Krankenversicherung belastet werden können, so dass BMG in seiner Begründung.
Die Finanzierung soll aus den mit dem Nachtragshaushalt 2020 (Globale Mehrausgabe Corona-Pandemie) bereitgestellten Haushaltsmitteln erfolgen.
Aus unserer Sicht muss die Begründung des BMG für die Kostenübername der Ausgleichszahlungen für Heilmittelerbringer: …dass es sich bei der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit Heilmittelleistungen um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, dann aber konsequenterweise bedeuten, dass sämtliche Umsätze der Praxen für die Ausgleichszahlungen zu Grunde gelegt werden müssen und auch sämtliche Heilmittelpraxen davon umfasst sind und nicht lediglich nur der Anteil der Gesetzlichen Krankenversicherung zu Grunde gelegt wird. Der Anteil der Privatversicherten in Deutschland schwankt je nach Region zwischen 2,1 und 29,1 %. Einige Praxen versorgen gar ausschließlich Privatversicherte, einige haben einen hohen Umsatzanteil im Bereich der Frühförderung, einige betreuen zu einem großen Teil vorwiegend Unfallverletzte.
Die Vermeidung von Praxisschließungen, sowie die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit Heilmittelleistungen wird dem BMG nur möglich, wenn
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- auch sämtliche Heilmittelpraxen vom Rettungsschirm erfasst werden.
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- Die Höhe der Ausgleichszahlung von 40%, sich auf den gesamten Umsatz der Praxen bezieht
- Die Heilmittelpraxen das Kurzarbeitergeld ihrer Mitarbeiter durch entsprechende Ausgleichszahlungen auf 100% aufstocken, um die Fachkräftesituation nicht noch weiter zu erodieren.
Umsätze aus der Unfallversicherung, der Privaten Krankenversicherung, der Selbstzahler und der Frühförderung haben also Berücksichtigung zu finden.
Zudem sollte es das Bestreben des BMG sein, die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit Heilmittelleistungen auch über die SARS-CoV-2-Epidemie hinaus sicherzustellen und nicht nur während der SARS-CoV-2-Epidemie.
In Verbindung mit der Erstattung der Zahnärzte im Entwurf, in deren Begründung es heißt:
…“die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zahnarztpraxen über die SARS-CoV-2-Epidemie hinaus sicherzustellen“ …
ist die differente Formulierung bei den Heilmittelerbringern „während der SARS-CoV-2-Epidemie“ befremdlich und daher dringend auch in die Bezug auf die daraus resultierenden Maßnahmen, aber auch im Hinblick auf mögliche rechtliche Konsequenzen (Stichwort: Gleichbehandlungsgrundsatz), anzupassen.
Auch die Auszahlungsgrundlage ist zu überprüfen, da selbst im Entwurf verschiedene Definitionen zu finden sind.
Mal heißt es: …“40 Prozent des im vierten Quartal 2019 von der gesetzlichen Krankenversicherung erhaltenen Vergütungsvolumens“.
Dann heißt es: „Sie beträgt 40 Prozent der Vergütung des Leistungserbringer für Heilmittelleistungen…, die er im vierten Quartal 2019 gegenüber den Krankenkassen abgerechnet hat, einschließlich der von den Versicherten geleisteten Zuzahlung.“
Beides ist weder in sich schlüssig noch konkret, denn der Zeitpunkt der Leistungserbringung differiert zum Teil erheblich mit dem Zeitpunkt der Auszahlung. Es wird damit nicht deutlich wovon genau die 40 % berechnet werden sollen. Auch würden Heilmittelerbringer nach dieser Definition nicht erfasst, die ihre Umsätze beispielsweise von Okt-Dez. 2019 erst im Januar abgerechnet haben.
§ 2 Absatz 4 des Entwurfes sollte daher lauten:
Die Leistungserbringer übermitteln durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen die für die Berechnung und Anweisung der Ausgleichszahlung erforderlichen, Umsätze (3 aufeinanderfolgende Umsatzmonate des Zeitraumes von September 2019 – Februar 2020 bis zum [einfügen: 14 Tage nach Inkrafttreten der VO]. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt die zusammengefassten Daten innerhalb von 7 Werktagen an die Arbeitsgemeinschaften. Das Nähere zur Datenübermittlung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
Statt:
Die Krankenkassen übermitteln dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen die für die Berechnung und Anweisung der Ausgleichszahlung … erforderlichen heilmittelerbringerbezogenen Daten bis zum [einfügen: 14 Tage nach Inkrafttreten der VO]. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt die zusammengefassten Daten innerhalb von 7 Werktagen an die Arbeitsgemeinschaften. Das Nähere zur Datenübermittlung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
Um die Mittel an die Heilmittelpraxen schnell zur Auszahlung zu bringen, werden die Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vorfinanziert und erst danach durch den Bund erstattet.
Die Auszahlung erfolgt nach Antragsstellung bei der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen auf Landesebene, die auch für die Zulassung zuständig sind.
Es ist zu begrüßen, dass nur eine Auszahlungsstelle vorgesehen ist, um unnötige Aufwände in dem Zusammenhang zu vermeiden.
Für den Bund ergeben sich durch die Ausgleichszahlungen an die Heilmittelerbringer im Jahr 2020 Mehrausgaben in Höhe von rund 970 Millionen Euro.
Die Ausgleichszahlung ist vom Leistungserbringer bis zum 30. Juni 2020 zu beantragen.
Die zuständige Arbeitsgemeinschaft soll die Ausgleichszahlung innerhalb von 10 Werktagen ab Antragseingang anweisen.
Die kurze Auszahlungsfrist ist ebenfalls sehr zu begrüßen.
Die Krankenkassen haben die Arbeitsgemeinschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
Praxisneugründer:
Wenn ein Praxisneugründer erstmals innerhalb des vierten Quartals 2019 oder später abgerechnet hat und dadurch keine oder keine vollständigen Daten für das vierte Quartal 2019 vorliegen, ist der dreifache Wert der abgerechneten Leistungen aus Januar 2020 maßgeblich.
Praxisneugründer die erst im Januar oder Februar Ihre Zulassung erhalten haben, ist das Dreifache der Vergütung aus dem Februar 2020 maßgeblich.
Hat ein Leistungserbringer auf Grund einer Neuzulassung auch im Januar 2020 keine Leistungen abgerechnet, beträgt die Ausgleichszahlung für jeden Monat, den der Leistungserbringer im Zeitraum von April bis Juni 2020 zugelassen ist, 1500 Euro.
Hat ein Leistungserbringer im Januar 2020 Leistungen abgerechnet und beträgt die danach errechnete Ausgleichzahlung für den gesamten Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 weniger als 4500 Euro, beträgt der gesamte Auszahlungsbetrag 4500 Euro.
Bei genauer Durchsicht ergeben sich auch hier noch Regelungslücken, beispielsweise für die, die im Februar ihre Zulassung erhalten haben, aber noch keine Leistungen abgerechnet haben, oder die errechnete Ausgleichszahlung weniger als 4.500 Euro für den Betrachtungszeitraum 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 beträgt.
Grundsätzlich ist eine Ausgleichszahlung von wenigstens 4.500 Euro für Existenzgründer zu begrüßen. Der BED hatte vor Tagen bereits mindestens 5.500 Euro gefordert.
Zur pauschalen Abgeltung der Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen infolge der SARS-CoV-2-Epidemie, insbesondere für persönliche Schutzausrüstungen, können die Leistungserbringer nach Absatz 1 für jede Verordnung, die sie bis zum 30. September 2020 abrechnen, einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 1,50 Euro gegenüber den Krankenkassen geltend machen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat hierzu kurzfristig eine für alle Heilmittelbereiche bundeseinheitliche Positionsnummer festzulegen. Diese Leistung muss nicht ärztlich verordnet werden.
Auch wenn die Erstattung bis gestern Abend noch lediglich 1 Euro betrug, so ist die Erhöhung auf 1,50 Euro Pauschale pro Verordnung statt pro Einheit weiterhin ein schlechter Scherz. Hier ist dringend Nachbesserung erforderlich, sollen sich die Therapeuten nicht auf den Arm genommen fühlen.
Für die Abrechnung der Pauschale für Hygieneartikel, die bis 30. September 2020 möglich sein soll, entstehen den gesetzlichen Krankenkassen je 1 Million Heilmittelverordnungen bislang Mehrausgaben in Höhe von 1,5 Millionen Euro.
Die Befristung der Gesetzesvorlage ist ebenfalls nicht eindeutig geklärt. Bislang heißt es im Entwurf:
„Die in der Verordnung enthaltenen Regelungen sind bis zu dem Zeitpunkt in Kraft, bis der Deutsche Bundestag das Bestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz1 Satz 2 und 3 des Infektionsschutzgesetzes für beendet erklärt und im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht hat, ansonsten spätestens mit Ablauf des 31. März 2021.“
Sollte der Bundestag z.B. vor dem 30.06.2020 also beispielsweise am 29.06.2020 das Bestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite für beendet erklären, würde ein Teil der Ausgleichszahlungen entfallen. Auch das ist nicht hinnehmbar.